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Neo Medical SA

Revolution im Operationssaal

Wer das Glück hat, ein Leben frei von jeglichen Rückenbeschwerden zu verbringen, gehört zu einer kleinen Minderheit. Alle anderen werden zumindest gelegentlich daran erinnert, dass man der Wirbelsäule Sorge tragen soll.

Manchmal führt kein Weg an einer Operation mehr vorbei; aufgrund eines Unfalls, einer Überbelastung oder eines genetischen Defekts. Aber die konventionelle Wirbelsäulenchirurgie ist komplex, materialintensiv und unflexibel. Das ändert sich nun dank Waadtländer Firma Neo Medical.

Die konventionelle Wirbelsäulenchirurgie arbeitet seit 30 Jahren nach demselben Verfahren, gestützt auf ein Arsenal von 200-400 Spezialschrauben, so genannter Pedikelschrauben, sortiert nach Länge und Durchmesser. Dazu kommen 5-7 Ablagen mit chirurgischen Instrumenten, die während einer Operation zum Einsatz kommen. Nicht selten stammen die Komponenten aus Ländern mit tiefen Fabrikationskosten. Dazu kommt der Aufwand zur Sterilisation sämtlicher Schrauben und Instrumente im Vorfeld des Operation, und das nie ganz auszuschliessende Infektionsrisiko. Mit dem Verfahren von Neo Medical hält das «Lean»-Prinzip Einzug in den Operationssaal: ein schlankes System, mit wenigen, aber intelligent ausgewählten Komponenten. Es ist geradezu revolutionär simpel, flexibel und sicher: Ein Set von 14 identischen Schrauben und eine einziges Set von Einweg-Instrumenten. Beides von Schweizerischer Qualität, steril und polyvalent einsetzbar.

Eine Schraube für alle Fälle

Schrauben und Werkzeuge sind Serienprodukte; menschliche Körper hingegen Unikate. Im Laufe einer Operation kann es durchaus vorkommen, dass die vorgesehene Methode aufgrund individueller Komplikationen sich als unzulänglich erweist. Der Planungs- und Materialaufwand im konventionellen Verfahren ist bedeutend höher. Das kann dazu führen, dass von der optimalen Prozedur abgewichen werden muss, wenn Alternativen nicht zuvor eingeplant wurden. Das Neo-Verfahren hingegen ist flexibel; Chirurgen können wichtige Entscheidungen ad hoc treffen – beispielsweise für oder wider den Einsatz von zementierten Schrauben beim einem Osteoporose-Patienten.

Sämtliche Methoden der Wirbelsäulenversteifungstechnik im Bereich der Brust- und Lendenwirbel (engl. thoraco-lumbar fusion) können mit einem einzigen Schraubentyp, und mit einem einzigen Set von Standardinstrumenten durchgeführt werden. Und nicht zuletzt werden diese nur ein einziges Mal eingesetzt, und sind deshalb immer neu, steril und abnützungsfrei. So hat Neo die Flexibilität und Effizienz im OP deutlich verbessert, und den Planungsaufwand reduziert.

Das Pedical-Screw-System (die Schrauben werden an den „Füsschen“ der Wirbel, den sog. Pedikeln, angesetzt) von Neo Medical sorgt für Immobilisierung, Korrektur und Stabilisierung eines Bereichs der Wirbelsäule, und bildet die Grundlage der Versteifung (engl. Fusion); die betroffenen Wirbel wachsen zusammen.

Cages ersetzen Bandscheiben

Der gängigste Eingriff im Bereich der Fusion-Chirurgie betrifft den Ersatz von Bandscheiben durch Cages (engl. für „Käfig“). Die Entwicklung dieser Cages hat Neo Medical jetzt zur Marktreife gebracht und bereits in ersten Operationen eingesetzt. Die Cages aus Titan-Mesh werden im 3D-Printverfahren hergestellt und als Distanzhalter zwischen den Wirbelkörpern eingesetzt. Die Cages kommen hauptsächlich im Fall degenerativer Bandscheibenerkrankungen zum Einsatz; das betrifft etwa 60% der Fälle. Die Cages werden mit Knochentransplantat (engl. bone graft, aus eigenem oder fremdem Knochenmaterial) aufgefüllt, und stimulieren so das Knochenwachstum zwischen den angrenzenden Wirbelkörpern.

Das Cage-System ersetzt die beschädigte Bandscheibe, sorgt als Puffer zwischen den angrenzenden Wirbeln und fördert das Knochenwachstum. Im Fall einer Fraktur werden die Schrauben nach erfolgter Heilung wieder entfernt; in der Mehrzahl degenerativer Fälle bleiben die Komponenten aber im Körper des Patienten.

Persönlicher Draht zu den Chirurgen Europas

Der globale Markt der Wirbelsäulenchirurgie hat ein Umsatzvolumen von CHF 12-13 Mia. Die Fusion umfasst etwa zwei Drittel davon, und hiervon wiederum zwei Drittel betreffen Eingriffe im Brust- und Lendenbereich. Neo Medical bedient den letzteren, und damit ein potenzielles Marktvolumen von etwa CHF 6 Mia.

Wie verkauft man ein Werkzeugsystem in einem so hochspezialisierten Kundensegment? „Wir investieren viel Zeit und Sorgfalt in den direkten Kontakt zu Chirurgen, einschliesslich des Trainings auf unserem System. Unsere Distributoren und Kundenberatern haben hier die Schlüsselrolle“, so CEO Jonas Larsson.

Die bedeutendsten Märkte in der europäischen Wirbelsäulenchirurgie sind Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und Grossbritannien. Wer wie Neo in Deutschland Erfolge vorweisen kann, ist für den europäischen Markt gerüstet.

Das Wachstumspotenzial ist beträchtlich; für 2018 erwartet Neo eine deutliche Zunahme der Anzahl Operationen gegenüber dem Vorjahr. In Bezug auf die Komplexität der mit Neo-Gerätschaften durchgeführten Operationen wurden die ursprünglichen Erwartungen der Firma übertroffen; ein Beweis für die Versatilität und Benutzerfreundlichkeit des Systems.

Nächste Destination: USA

Im Herbst 2017 hat Neo Medical von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Zulassung für den amerikanischen Markt erhalten. Im ersten Quartal 2018 wurde in den USA die erste Operation mit Neo-Komponenten durchgeführt.

Mit der Credit Suisse Entrepreneur Capital AG als Investmentpartner im Rücken geht Neo Medical nun in ihre nächste Expansionsphase. Die weitere Expansion auf dem europäischen Markt, insbesondere in Deutschland, sowie der Markeintritt in den USA, stehen in der Firmenstrategie zuvorderst. Damit steht der Vereinfachung der Wirbelsäulenchirurgie in den Operationssälen nichts mehr im Weg, und davon profitieren nicht nur die Kunden der Lausanner Med-Tech-Firma, sondern vor allem deren Patienten weltweit.

Ein einzigartiges Produkt, ein globaler Markt, keine direkte Konkurrenz – Neo Medical hat viel versprechende Aussichten. Die grösste Hürde ist denn auch nicht markttechnischer Natur, sondern eine Frage der, bisweilen hartnäckigen, Gewohnheiten im OP. Aber was bei Patienten gut ankommt, wird sich rasch herumsprechen.